Meditation und Krise

Meditation und Krise.
Viele von uns wenden sich gerade aus diesem Grunde der Meditation zu. Sie suchen nach einer Handhabe, um nicht auszurasten, wenn der andere zu sehr nervt, nicht ins Bodenlose zu fallen, wenn das Leben zu sehr erschüttert, oder um die großen, leidenschaftlichen Emotionen zu bändigen, die uns mitunter überfallen. Ja, viele von uns fangen an zu meditieren, um in akuten Lebenslagen auf etwas zurückgreifen zu können, das wie ein Balsam die inneren Wogen glättet.

Dieser Balsam ist die Bewusstwerdung. Die Bewusstwerdung ist nicht nur der Schlüssel zu jeder erfolgreichen Meditation, sondern auch der Schlüssel zu jedem erfolgreichen und erfüllten Leben. Sobald du dir bewusst machst, was da gerade geschieht, in jedem Augenblick, ganz besonders aber in Krisenmomenten, gewinnst du Abstand. Du klinkst dich aus dem Drama aus und betrachtest es sozusagen von oben. Dann bist du nicht mehr mitten drin, sondern stehst als Beobachter darüber. Das schenkt dir die ersehnte Gelassenheit.

Du kannst nicht beides zugleich sein: der dramatisch Handelnde und der gelassene Beobachter. Du bist entweder dies oder das. Meist sind wir dies. Meist sind wir mittendrin und agieren und reagieren völlig unbewusst und aus alter Gewohnheit. Wir handeln nach einem Muster, ganz so, als wäre es vorgegeben. So sind wir eben! So sind wir eben immer wieder, und das bedeutet, dass wir uns eben immer wieder in den gleichen Dramen befinden.

Sich selbst achtsam zu beobachten, will geübt sein. Der beste Übungsplatz dazu ist die Meditation. Du kannst damit beginnen, deinen Atem bewusst wahrzunehmen. Du kannst deinen Körper beobachten, seine Anspannung, seine Ruhe, den Fluss der Energien im Körper oder auch die Schmerzen. Mit zunehmender Übung in Achtsamkeit kannst du dir gewahr werden, dass viel Raum um dich herum ist, unendlich viel Raum, in dir und um dich herum. Das ist die befreiende Weite. Jetzt hast du die konkrete Drei-Dimensionalität hinter dir gelassen und erkennst dich als reines Bewusstsein. Ich-Bin.

Je mehr du dich in Achtsamkeit geübt hast, desto leichter wird es dir fallen, dich zu beobachten, sobald du anfängst, dich aufzuregen. Dann richtest du deine Aufmerksamkeit ganz auf das Geschehen in deinem Körper. Nur auf den Sturm, der sich da gerade erhebt. Solange du die Wut in deinem Bauch beobachtest und möglicherweise wahrnimmst, dass du genau das tust, was du immer tust, nämlich losschreien, sobald du dich als Schreihals beobachtest, kannst du nicht besinnungslos drauf los schreien. Denn jetzt bist du bei Besinnung. Du beobachtest dich. Und das sind bereits die ersten Tropfen des ersehnten Balsams: du bist etwas gelassener.

Mit Zeit und Übung wirst du zur Meisterin der Gelassenheit, zum Meister der Beherrschtheit. Doch diese Beherrschtheit ist etwas ganz anderes als das früher gelernte Reiss-dich-zusammen! Sich zusammenzureissen, bedeutet, die Zähne zusammenzubeissen und die Wut mit aller Kraft weg zu drücken. Aus dem Bewusstsein raus ins Unbewusste. Doch wie erwähnt: die weggedrückten Emotionen bleiben im System. Deine Wut wirkt im Untergrund weiter und sinnt auf Vergeltung. Der endlose Streit ist dann vorprogrammiert.

Bei der Bewusstwerdung handelt es sich nur um das Beobachten dessen, was ist. Und ja, was da gerade ist, kann schmerzvoll sein. Es tut weh, übervorteilt, belogen, betrogen oder beschimpft zu werden. Es tut weh, einen Verlust zu erleiden oder zu erleben, wie alles unter dir zusammenbricht. Das Leben tut mitunter scheußlich weh. Mit unseren emotionalen Lebensschmerzen sinnvoll umzugehen, ist eine Kunst, die wir bislang kaum beherrschen.

Emotionen wie Wut und Trauer sind Phänomene des Lebens, die wie alle Phänomene kommen und gehen. Sie kommen und gehen nach dem inhärenten Rhythmus alles Lebendigen: sie erscheinen, blühen auf, kulminieren bis zum kritischen Punkt und ebben dann ab, um zu verschwinden. So ist es auch mit jeder Emotion, und sei sie noch so heftig: ohne unsere Einmischung kommt und geht sie wie der Mond am Himmel.

Sobald wir uns auf unseren Beobachtungsposten erhoben haben, sehen und erleben wir, wie sich diese phänomenale Wandlung vollzieht: wir spüren den Sturm der Erschütterung, wir sind Zeuge seiner Vehemenz, wir erleben, wie er sich steigert und geradezu unerträglich wird. Wenn wir der Versuchung, uns einzumischen, widerstehen und einfach nur beobachten, erleben wir, wie die Welle bricht, wie die Wut, die Trauer, die Erschütterung abebben und sich immer mehr auflösen.

Und übrig bleibst du, der Beobachter des Geschehens, das reine Bewusstsein in der Weite des Raums. Das ist nicht nur erleichternd, es ist erhebend. So kannst du dich durch die Meditation in jeder Krise über dich hinaus erheben und als Portal zur Unendlichkeit des reinen Bewusstseins nutzen.

Vielleicht gefällt dieser Beitrag Deinen freunden auch?

Share on Facebook
E-Mail
WhatsApp
Telegram

Schreibe einen Kommentar